In unserer Stadt wurde lange Zeit über Probleme von MigrantInnen diskutiert, aber es wurden keine nennenswerten Fortschritte erreicht. In den vergangenen zwanzig Jahren wechselte die kommunale Zuständigkeit dafür fünfmal. Durch das bundesweite Projekt „Lernen vor Ort“, an dem sich Bremerhaven beteiligt, wurde die Thematik wieder aufgegriffen. Im Folgenden wollen wir den Diskussionsstand erläutern.
1. Definition
Zunächst ist zu klären, wie wir das Problem, über das wir reden, richtig definieren. Bezogen auf die gesellschaftliche Zielgruppe heißt das: Sprechen wir von AusländerInnen oder MigrantInnen? Als AusländerInnen sind circa zehntausend Menschen betroffen. Reden wir jedoch von MigrantInnen, so ist die Gruppe gleich dreimal so groß. Als Ausländer gelten nämlich nur nichtdeutsche Staatsbürger. Aber unter MigrantInnen fassen wir nichtdeutsche Staatsbürger, Aussiedler, Flüchtlinge, Eingebürgerte und deren hier geborene Kinder zusammen. Wir wählen die Definition MigrantInnen, weil diese allesamt von Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichbehandlung betroffen sind.
2.Beschreibung der Zuständigkeitsbereiche
Bisher wechselten die kommunalen Zuständigkeiten für MigrantInnen mehrfach. Gegenwärtig ist beim Magistrat das Sozialdezernat zuständig, wobei unklar ist, wie der Zuständigkeitsbereich genau zu beschreiben ist. Gelegentlich fühlt sich die entsprechende Dienststelle für ein Problem nicht zuständig, oder es ist unklar, wie mit dem Problem umzugehen ist. Bei einer solchen „Querschnittaufgabe“ aller Ämter besteht die Gefahr, dass viele zuständig sind, aber niemand wirklich verantwortlich ist. Um die Koordinationsprobleme der Vergangenheit zu überwinden und die vielfältigen Erfahrungen der beteiligten Ämter, Vereine und Institutionen zu bündeln, wird eine zentrale Koordinierungsstelle benötigt. Vorhandene Bündnisse und Netzwerke sind hilfreich, können aber eine solche Koordinierungsstelle nicht ersetzen. Eine neu zu schaffende Koordinierungsstelle darf nicht durch magistratsinterne Stellenumverteilung von fachfremdem Personal ( z.B. krankheitsbedingte oder anders begründete Personalwechsel) besetzt werden. Es werden vielmehr mindestens drei Fachkräfte von interkultureller Kompetenz benötigt.
3. Bremerhaven braucht ein eigenes Konzept
Bis jetzt wurde die MigrantInnen-Thematik in Bremerhaven lediglich als Anhängsel an das Bremer Integrationskonzept behandelt. Wir benötigen jedoch ein eigenes auf hiesige Bedingungen abgestelltes Konzept, das unter Einbindung aller am Ort vertretenen migrantischen Gruppierungen und Vereine zustande kommt
4. Interkulturelle Öffnung
Für die Zukunft ist von entscheidender Bedeutung, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen – also auch die MigrantInnen – als wertvoller Teil unserer Gesellschaft angenommen fühlen. Diesem Grundgedanken folgt auch die Idee der „Interkulturellen Öffnung“. Dieses Konzept sieht vor, dass auch in öffentlichen Einrichtungen ( z.B. Arbeitsamt, Sozialamt, Schule, Polizei usw.) MigrantInnen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung eingestellt werden. Abgesehen vom Kindergartenbereich gibt es diesbezüglich in allen Bereichen unserer Stadt sehr große Defizite
5. Gesellschaftliche Teilhabe weiterentwickeln
Ein erheblicher Teil der MigrantInnen ist nach wie vor von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe ausgeschlossen oder kann aus verschiedensten Gründen seine Möglichkeiten zur Teilhabe nicht ausschöpfen.So sind nichtdeutsche Staatsbürger immer noch vom Kommunalen Wahlrecht gesetzlich ausgeschlossen. Sie dürfen lediglich an der Wahl zum Rat der ausländischen Mitbürger (RaM) teilnehmen, die am 22. Mai parallel zur Stadtverordnetenwahl in Bremerhaven durchgeführt wird. Der RaM hat bisher ausschließlich beratende Funktion für die Politik unserer Stadt. Tatsächliche Teilhabe setzt voraus, dass der RaM in Zukunft stimmberechtigt an allen wesentlichen Entscheidungsfindungen in unserer Stadt mitwirkt. Außerdem muss die zwei Jahrzehnte alte Satzung des RaM den Realitäten im Migrantenbereich angepasst werden. Dazu gehört, dass der wahlberechtigte Personenkreis und die Rechte des Gremiums neu definiert werden. Ohne diese Veränderungen wird der RaM für die meisten MigrantInnen weiterhin bedeutungslos bleiben. Der RaM wird dann auch zukünftig nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen können.
Die Realisierung der oben formulierten Ziele setzt die Einbeziehung der MigrantInnen zwingend voraus. Seit einem Jahr beteiligt sich Bremerhaven am bundesweiten Projekt „Lernen vor Ort“. Ein entsprechender Workshop im Februar 2011 führte zur Gründung eines Fachbeirats für Integration und der Installierung von fünf Arbeitsgruppen mit dem Ziel, konzeptionelle und strukturelle Veränderungen im Migrantenbereich zu erarbeiten.
Hier sind MigrantInnen gefordert. Es gilt sich einzubringen, mitzudiskutieren und neu zu gestalten. Wenn wir mitentscheiden wollen, wie in dieser Stadt mit uns umgegangen wird, müssen wir uns einmischen! Gefordert sind alle Vereine, Institutionen und Einzelpersonen.Es geht um unsere Zukunft.
– Ali Can –