„So ein Bündnis wird gebraucht“
( Textzeile aus einem spontanen Geburtstagsständchen für das Aktionsbündnis gegen Rechts)
Am 12.09. war das Aktionsbündnis gegen Rechts „Bremerhaven bleibt bunt!“ mit seinem „Fest für Demokratie“ zu Gast im DIALOG-Verein für gleiche Rechte. Es war zum einen der Höhepunkt der Aktivitäten im Wahlkampf gegen Nazis und andere Rechte und gleichzeitig der dritte Jahrestag der Gründung von „Bremerhaven bleibt bunt!“. Trotz mehrerer attraktiver Kulturevents in der Stadt und trotz des regnerischen Wetters fanden sich ca. 70 große und kleine Gäste ein, um gemeinsam zu feiern, zu reden und zu tanzen. Hrace (11) und ihre Schwester Mane (10) aus Armenien eröffneten das Fest mit einem Klavierstück von Chopin und einem Volkslied auf der Gitarre und bekamen den herzlichen Applaus des Publikums. Nach einer Begrüßung durch Bündnisaktivistin Jessica Link, einer Bündnisrede von Hanne Beutel und einer Rede des neuen Bremerhavener DGB Vorsitzenden Sascha Kuntzmann führte Anne Müdeking durch das abwechslungsreiche Livemusik-Programm von Michael Zachcial (von der bekannten Folkmusikgruppe „Die Grenzgänger“) , Andrea Türk, Legit Crew und der bulgarischen Grup Varna. Während im ersten Teil die kritischen und nachdenklichen Songs überwogen und das Publikum bewegten, konnte im zweiten Teil nach Herzenslust getanzt werden. Dazu gab es Kaffee, Tee und selbstgebackene Kuchenträume zu genießen. Am Infostand gab es Flyer gegen Rechts, Infos zur Bundestagswahl, den Bündnis-Wahlaufruf und alles, was Demokratinnen brauchen, wenn sie auf Nazi-Kleber treffen…Während des Festes wurde auch eine Foto-Mitmachaktion begonnen, die inzwischen als Wahlaufruf gegen Rechts durch Bremerhavenerinnen aller Altersgruppen auf facebook weiterläuft.
Bündnisrede zum Festauftakt
Moin und herzlich Willkommen bei unserem Fest für Demokratie!
Dieses Fest haben wir als den Höhepunkt unserer Aktivitäten zur Bundestagswahl geplant. In der Vorbereitung ergaben sich eine Terminverschiebung und wegen technischer Probleme auch eine örtliche Verlegung. Nun sind wir hier auf dem schönen, grünen Außengelände des DIALOGs und fühlen uns hier auch gut aufgehoben. Vielen Dank an den Verein für gleiche Rechte, dass wir heute hier sein dürfen und so toll von euch unterstützt werden.
Gerade heute gibt es mit dem kurzfristig angesetzten Theaterfest, dem Art Space in der Alten Bürger und einem Fest auf dem Zolli sehr attraktive Veranstaltungen in der Stadt. Umso mehr freuen wir uns über euch, die ihr den Weg hierher gemacht habt, um mit uns zu feiern.
Unser „Fest für Demokratie“ soll aber keine bloße Party sein. Es geht auch und vor allem um das Festsein und Standhalten. Um das Einfordern und Verteidigen von demokratischen Rechten und darum, Nazis und anderen Rechten entgegenzutreten, wo immer sie auftreten wollen. Wir wollen keinen Millimeter nach Rechts. Und wir wollen, dass Bremerhaven bunt bleibt. Wir stehen für eine Stadt, in der alle, die hier zuhause sind, friedlich, mit gleichen Rechten und Chancen und in Solidarität zusammenleben können.
Von all dem ist im gegenwärtigen Bundestagswahlkampf wenig zu spüren. Weil die Lage geradezu nach Veränderung schreit, bleibt einigen nichts anderes übrig, als in die antikommunistische Mottenkiste zu greifen. Die üblichen Tiraden, inzwischen über hundert Jahre alt.
Ich persönlich finde das ätzend und geradezu unanständig, wie man selbst Personen der jüngeren Geschichte beleidigt, weil sie angeblich immer auf der falschen Seite der Geschichte gestanden hätten. Ich denke im Gegenteil, eine Politikerpersönlichkeit wie Willy Brand – wenn es sie denn gäbe – täte aktuell diesem Land, unseren Nachbarn und der internationalen Politik sehr gut.
Aber danach siehts nicht aus. Wer weiß, vielleicht wird irgendwann noch die Internationale umgetextet werden. „In Stadt und Land ihr Arbeitsleute, wir sind die stärkste der Parteien…“ heißt es ja darin so schön. Wie sieht es denn diesbezüglich heute aus? Wer war Siegerin der letzten Bundestagswahl 2017? Die CDU/CSU. OK. Und wer kam dann? Nein, nicht die SPD!
23,8% der Wahlberechtigten haben nämlich gar nicht gewählt. Sie lagen damit nur 2 Prozent hinter der CDU und vor allen anderen Parteien. Es geht genau um 14. 712. 144 Menschen, die keinen Sinn darin sahen, zur Wahl zu gehen. Bei der letzten Europawahl betrug die Zahl der Nichtwähler*innen sogar 23. 792. 517 . Was würde passieren, wenn diese Menschen in Bewegung kämen?
Und es gibt noch ein paar Zahlen, die uns nicht egal sein dürfen. 60,4 Millionen dürfen bei dieser Bundestagswahl wählen. 22, 7 dürfen nicht wählen. Knapp 13 Millionen sind zu jung. Aber ca 10 Millionen dürfen nicht wählen, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Sie leben zum Teil seit Jahrzehnten hier, arbeiten, zahlen Steuern, dürfen aber über nichts mitentscheiden. „Ihnen wird stärker als Menschen mit deutschem Pass auf die Finger geschaut, ob sie sich gut integrieren, einen sicheren Job finden oder ihre Kinder ordentlich Deutsch sprechen. Aber ihnen wird verwehrt, sich zur entscheidenden Frage zu äußern: WER sie regiert.“ Nur EU Bürger*innen dürfen hier an Kommunalwahlen teilnehmen.
Ihre Meinung dazu können die Betroffenen beim Frisör oder auf facebook rauslassen, aber keinesfalls im Wahllokal. Das muss nicht so bleiben. Inzwischen gibt es einige Länder, die das anders machen. ( Chile, Uruguay, Neuseeland und Schottland)
Hier wird oft argumentiert, man könne sich ja einbürgern lassen. Doch dafür gibt es immer noch hohe bürokratische Hürden. Und es gibt für viele Betroffene auch gute Gründe, ihre alte Staatsbürgerschaft nicht ganz aufzugeben. Doppelte Staatsbürgerschaft und Wahlrecht für alle muss deshalb auf die Tagesordnung. Übrigens, nur am Rande bemerkt. Es hat hier am Ort bereits in den achtziger Jahren ein sehr aktives Bündnis zu diesem Thema gegeben. Das nannte sich in Anlehnung an die Forderung der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung “ Ein Mensch – eine Stimme!“
Doch zurück zur Gegenwart.
Auf die Wahlen wird Sascha Kuntzmann vom DGB gleich noch eingehen.
Und am Infostand findet ihr unseren Wahlaufruf, der auch diesmal von zahlreichen Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnet wurde. Außerdem sind dort unsere weiteren Flyer zur Wahl, unsere Bündnis-Chronik, jede Menge Aufkleber und CDs vom Songwettbewerb zu bekommen.
Ich möchte noch erwähnen, dass wir noch einen schönen Grund haben für unser Fest:
vor genau drei Jahren wurde hier im DIALOG unser Aktionsbündnis gegründet. Also lasst uns feiern, reden, tanzen. Und morgen gehts weiter mit dem Wahlkampf gegen Rechts.